Warum ändert sich das Bildungssystem nicht? Warum widersteht es hartnäckig nahezu jedem Transformationsversuch? Die Antworten sind komplex und je nach Perspektive logisch. Allein: Sie helfen uns nicht weiter. Wir lesen von Ansatzpunkten und Syndromen, von Handlungsdruck und nötigen Maßnahmen. Und: Wir kommen nicht weiter.

Was würde geschehen, wenn wir eine viel radikalere Perspektive in Aussicht stellen würden? Nämlich die, dass das Schulsystem, das Bildungssystem oder eigentlich das gesellschaftliche System als Ganzes nur zukunftsfähig sein kann als ein fluides, ein offenes System. Eines, dass sich eben nicht über Indikatoren und Wirkungslogik organisieren und kalkulieren lässt, sondern eines, dessen größte Möglichkeit wir vielleicht noch gar nicht kennen.

Das Bildungssystem kann nur ein lernendes System sein. Dieser Algorithmus lässt sich allerdings nicht auf der Basis vorhandener Daten programmieren, denn er unterliegt unkalkulierbaren Faktoren – den menschlichen Erfahrungen. Und dem, was wir als offenes Ergebnis eines schöpferischen Prozesses als Möglichkeit annehmen, aber nicht kennen können. Eine Möglichkeit eröffnet sich, sie entsteht – das Schöne an Innovationen ist, dass wir sie bis zum Moment ihrer Gestaltwerdung nicht kennen. Ein System aber, das auf rein evidenzbasierte Prozesse ausgerichtet ist, verschließt sich diesen Optionen. Es ist veränderungsresistent.

Wir haben uns mit Forum Kulturwandel Bildung vorgenommen, Veränderungspotenziale zu stärken.

Deshalb öffnen wir seit Mai 2020 jeden zweiten Dienstag einen virtuellen Raum für den Austausch, das Zuhören und den ko-kreativen Prozess. Mit Menschen aus unterschiedlichen Kontexten im Feld der Bildung entwickeln wir unsere gemeinsame Vision des Kulturwandels in der Bildung weiter und beziehen viele Perspektiven ein. Es ist gleichsam ein Raum, der anregen möchte, die eigenen Gestaltungspotenziale zu erforschen und – gemeinsam mit anderen – konkrete Möglichkeiten der Umsetzung auszuloten.

Diese Idee und das Format wurden wesentlich inspiriert durch unsere Beschäftigung mit der Theorie U von C. Otto Scharmer. Wie wäre es, das empathische Zuhören und den ko-kreativen Prozess in einem kleinen, überschaubaren Format zu erproben? Was entsteht, wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Bereichen der Bildung und darüber hinaus zusammenfinden, mit dem gemeinsamen Interesse, den Wandel hin zu einer neuen Lernkultur voranzubringen und nachhaltige Veränderungen zu erreichen? Können wir den Widerständen des Systems entgegenwirken? Mit diesen Fragen sind wir in die ersten DenkRäume gegangen. Wir öffnen mit einer Frage, einem Gedanken, einem persönlichen Impuls den Raum zum Weiterdenken. Wir sehen uns dabei als Gastgeberinnen für all das, was durch die Teilnehmenden in den Raum gestellt wird und entsteht.

Was wir erlebt haben, ist eine neue Art, miteinander zu kommunizieren, einander zuzuhören und von den Erfahrungen der anderen zu lernen. Dazu braucht es einen offenen Raum, jenseits von Zielorientierung und systemischer Zwänge, indem sich alle eingeladen fühlen:

Welche Veränderungsimpulse bewegen Dich gerade? Wie erfährst Du Dich in Netzwerken? Wie kann Deine Gestaltungskompetenz gestärkt werden? Was bedeutet für Dich Kulturwandel konkret? Welche Werte vertrittst Du und wie? Das waren einige der Gedankenräume, die wir bisher ausgelotet haben. In immer neuen Zusammensetzungen finden sich in den zwei Stunden inspirierende Ideen und entsteht ein auf Möglichkeiten orientierter Austausch. Die Rückmeldung bestätigt unseren Eindruck, dass die Teilnahme intensiv aber keineswegs ermüdend ist, dass die Stunden im Flug vergehen und eine große Resonanz möglich wird.

„Ich schwanke als Lehrerin ja immer zwischen Resigniertheit und neuer Power… Ich brauche genau solche Anker wie den Denkraum. Danke dafür!“ (Lehrerin aus Berlin)

Mit dem DenkRaum ändern wir das System nicht. Aber wir tragen dazu bei, die Richtung zu ändern, mit der wir auf das System blicken. Von dort aus setzen wir Impulse für Veränderung. Wir denken miteinander Neues, wir erleben, dass auch andere dies wollen, wir tragen die Gedanken in unseren Alltag und setzen sie um. Der DenkRaum stärkt Gestaltungsmöglichkeiten, stärkt Handlungsimpulse und macht eine neue Art des Voneinander- und Miteinanderlernens erlebbar. Im DenkRaum eröffnet sich eine Möglichkeit, sie entsteht daraus. Das Schöne an Innovationen ist, dass wir sie bis zum Moment ihrer Gestaltwerdung nicht kennen – aber wir können Ihnen die Tür öffnen.